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Einsamkeit überwinden: Experteninterview für Betroffene und Angehörige

Interview

Viele ältere Menschen fühlen sich einsam. Das hat psychische und körperliche Folgen. Experte Dr. med. Thomas Ihde erklärt warum und was dagegen hilft.

Interview mit Dr. med. Thomas Ihde

Wie verbreitet ist Einsamkeit im Alter?

Sie ist sehr verbreitet. Aber man sollte Einsamkeit unterschiedlich betrachten: Einerseits, wie viele Sozialkontakte eine Person hat. Andererseits das Gefühl von Einsamkeit, das die Person empfindet. Dabei geht es um die Qualität der Kontakte, die bestehen, und die Art der Kontakte, die man sich noch wünscht.

Einsam fühlen sich Menschen jeden Alters, auch jüngere. Was ist besonders bei älteren Menschen?

Ältere Menschen brauchen eine Vielfalt an Kontakten. Ein kurzer und heiterer Schwatz ist wichtig, sie wünschen sich aber auch Kontakte, in denen sie ein wirkliches Interesse des Gegenübers an ihnen spüren. Vielfach haben sie das Gefühl, nicht gehört und gesehen zu werden. Man kann sich im grossen Familienkreis sehr einsam fühlen. Wir müssen bei unseren Angehörigen daran denken: Was zählt, ist die Intensität eines Treffens und der Tiefgang der Gespräche. Es hilft, wenn wir gut hinhören. Schliesslich ist die Lebenserfahrung älterer Menschen und deren Umgang mit dem noch verbleibenden Leben für uns eine Bereicherung.

Vielfach haben ältere Menschen das Gefühl, nicht gehört und gesehen zu werden. Man kann sich im grossen Familienkreis sehr einsam fühlen.

Dr. med. Thomas Ihde, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH

ZUR PERSON

Dr. med. Thomas Ihde

Der 55-jährige Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH ist geschäftsführender Chefarzt des Bereichs Psychiatrie der Spitäler Frutigen Meiringen Interlaken AG. Als Stiftungsrat von Pro Mente Sana setzt er sich auf nationaler Ebene für die Anliegen von psychisch Erkrankten und deren Angehörigen ein.

Welche Tipps geben Sie Betroffenen?

Es kann hilfreich sein, ein Inventar der eigenen Kontakte zu erstellen: Mit wem habe ich schon lange nicht mehr gesprochen? Wen möchte ich wieder einmal sehen? Mit wem würde ich gerne regelmässig telefonieren? Im Leben von hochbetagten Menschen wird der Radius immer kleiner. Ihnen fehlt oft die Kraft, Beziehungen zu pflegen oder neue aufzubauen. Aber es lohnt sich, im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten in irgendeiner Form wertvolle Kontakte weiter zu pflegen.

Welche Tipps geben Sie Angehörigen?

Unterstützen Sie Menschen, die sich einsam fühlen dabei, herauszufinden, was in ihrer Nähe von Organisationen, Fachstellen und Religionsgemeinschaften angeboten wird. Begleiten Sie ihren Angehörigen oder ihre Angehörige zum ersten Anlass. Das bestärkt die betroffene Person in ihrem Vorhaben und verhindert, dass sie es sich nicht im letzten Moment anders überlegt.

Eine gute Anlaufstelle ist zudem die hausärztliche Praxis. Bieten Sie der betroffenen Person an, sie zum Arzttermin zu begleiten und stellen Sie je nach dem auch Fragen. Einsamkeit hat psychische und körperliche Folgen. Diese Erkenntnis hat sich etabliert. In England beispielsweise ist es üblich, dass Hausärztinnen und -ärzte betroffene Menschen beraten, wie sie der Einsamkeit entgegenwirken können. Diese Beratung wird von der Krankenkasse bezahlt.

Unterstützen Sie Menschen, die sich einsam fühlen dabei, herauszufinden, was in ihrer Nähe von Organisationen, Fachstellen und Religionsgemeinschaften angeboten wird.

Dr. med. Thomas Ihde, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH

Angebote wie der Besuchs- und Begleitdienst SRK beschränken sich auf wenige Stunden pro Woche. Kann dies Ihrer Ansicht nach trotzdem Einsamkeit lindern oder vorbeugen?

Solche Angebote sind nicht zu unterschätzen. Für betagte Menschen haben auch Dinge ihren Wert, die uns eher klein erscheinen. Sie geniessen umso mehr das, was sie haben. Da kann das Teilen einer Geschichte oder ein Spielnachmittag sehr bereichernd sein. Angehörige wiederum haben häufig mit Schuldgefühlen zu kämpfen. Auch für sie ist es entlastend zu wissen, dass die betreffende Person etwas Schönes erlebt.

Was braucht es in Zukunft, um der sozialen Isolation entgegenzuwirken?

Es braucht solche Angebote wie den Besuchs- und Begleitdienst. Aber es ist auch sehr wichtig, dass ältere Generationen aktiv werden und sich gegenseitig im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen. Das muss von den Betroffenen selber kommen.  

Sie erhält Besuch von einer Freiwilligen

Geneviève Pantli, 97, wird regelmässig von einer Freiwilligen besucht. Es ist eine Reportage über zwei Frauen, die sich gegenseitig guttun und einander schätzen.

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Möchten Sie mehr zum Angebot erfahren?

Das Angebot «Besuchs- und Begleitdienst» bringt älteren Menschen, die sich einsam fühlen, etwas Abwechslung und Freude in den Alltag. Die Treffen mit Rotkreuzfreiwilligen sind eine Bereicherung für beide Seiten und können auch Angehörige oder Nachbarn entlasten.

Brauchen auch Sie oder jemand aus Ihrem Umfeld Unterstützung durch den «Besuchs- und Begleitdienst»? Hier geht's zum Angebot in Ihrem Kanton:

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