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Frau von hinten auf einem Waldweg im Herbst

Sterbebegleitung ist eine Lebensbegleitung zum Ende

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Freiwillige des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) begleiten Sterbende. Sie leisten Palliative Care und unterstützen zudem die Angehörigen. Was sie dazu brauchen, lernen sie im Lehrgang Passage SRK. Eine SRK-Freiwillige erzählt von Menschen, die sie zuletzt begleitet hat. Um eine Begleitung zu verarbeiten, lässt sie draussen die Natur auf sich wirken.

ERFAHRUNGSBERICHT VON

Silvia Pirovano

Die 64-Jährige leitet beim Schweizerischen Roten Kreuz Kanton Bern den Lehrgang Passage SKR. Als SRK-Freiwillige begleitet sie selber Menschen am Lebensende. Ursprünglich hat sie eine Ausbildung im Pflegefachbereich absolviert.

«Wir begleiten Langzeitkranke, Schwerkranke und Sterbende zu Hause, in Heimen und in Spitälern. Die Bezeichnung Sterbebegleiterin mag ich weniger. Ich bezeichne mich lieber als Lebensbegleiterin zum Ende. Wir schenken diesen Menschen Zeit. Zeit, die weder das Spitex- noch das Pflegepersonal haben. Wir entlasten die Angehörigen und tragen dazu bei, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Wenn ich einen Menschen besuche, lasse ich mich von meiner Intuition leiten. Meine Devise für das Lebensende lautet: Wir sind nicht da, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben. Das können ganz kleine Dinge sein. Eine an Demenz erkrankte Frau verbrachte ihre Zeit stumm und reglos im Lehnstuhl. Ich entdeckte im Zimmer einen Korb mit Strickwaren und begann zu stricken. Dann gab ich der Frau den Korb. Da begann diese zuvor erstarrte Frau plötzlich zu stricken. Nicht alle Begegnungen verlaufen harmonisch, aber damit kann ich umgehen. Scheitern heisst, mit dem Nein nicht fertig zu werden. Einmal wurde ich von einer Patientin angebrüllt: ‹Verreis!› Ich ging zur Türe. Sie begann, voller Wut ein Buch zu zerreissen. Ich blieb auf Distanz. Etwas später wurde beruhigte sie sich und trank den Pfefferminztee, den ich ihr hingestellt hatte. Es war ihr Lieblingstee.

Den letzten Moment erlebe ich immer als ruhig und friedvoll.

Ich habe als Freiwillige zwar einen Auftrag, aber ich zwinge niemandem meine Vorstellungen auf. Da hat mir ein Patient eine gute Lektion erteilt, indem er sagte: ‹Den letzten Schritt kann ich ja wohl noch allein gehen.› Es gibt Geschichten, die mir viel gegeben haben und mich noch heute tief bewegen. Ich bin froh und dankbar, über jede Erfahrung, die mich dazulernen liess. Ich begleitete einen älteren Mann. Nach dessen Tod wollte die Ehefrau ihm den Ehering vom Finger nehmen. Nach über fünfzig Jahren Ehe. Sie war nicht in der Lage dazu. Wir haben das gemeinsam gemacht. Ich bin dankbar, dass ich dabei sein durfte. Ich habe viele Menschen sterben sehen. Einige im Familienkreis andere allein. Den letzten Moment erlebe ich immer als ruhig und friedvoll. Es gibt Menschen, die äussern sich verschlüsselt. Eine Frau in einer Pflegeeinrichtung rief unablässig: ‹Ich will nach Hause›. Die Angehörigen kamen ihrem Wunsch nach, doch sie wiederholte diese Worte zu Hause immer wieder. Sie wurde zurück auf die Pflegestation gebracht und ich blieb bei ihr. Auf einmal wurde sie still. Sie richtete sich im Bett auf, sagte: ‹Silvia, jetzt kann ich nach Hause.Dann verschied sie.

Die Ausbildung hat ein klares Konzept und Ziele. Themen sind Kommunikation, Trauer und Sinnfindung. Wir arbeiten mit Fachliteratur, Rollenspielen und Lerngesprächen.

Menschen bis zum Ende zu begleiten, ist eine Lebensschule. Die Ausbildung des SRK für Palliative Care hat ein klares Konzept und Ziele. Themen des Lehrgangs für eine Sterbebegleitung sind Kommunikation, Trauer und Sinnfindung. Wir arbeiten mit Fachliteratur, Rollenspielen und Lerngesprächen. Jede Klasse wächst zu einem Team mit einer starken Vertrauensbasis zusammen. Manche Kursteilnehmende haben Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Tod. Wir leisten im Kurs aber keine Trauerarbeit. Voraussetzungen für die freiwilligen Einsätze sind psychische Stabilität und Belastbarkeit. Zudem muss man die Fähigkeit haben, sich in andere einzufühlen und sich gleichzeitig abzugrenzen. Ich schliesse nach einem Einsatz bewusst die Türe hinter mir und lasse das Erlebte drinnen. Zuhause nehme ich eine ausgiebige Dusche und lasse anschliessend draussen die Natur auf mich wirken. Ich höre gerne Musik – wenn es sein muss, im Auto ganz laut Techno.»

LEHRGANG FÜR STERBEBEGLEITUNG IN DER SCHWEIZ

Passage SRK

Palliative Care stellt die Bedürfnisse schwerkranker Menschen und ihrer Angehörigen ins Zentrum. Sie folgt dem Grundsatz, Lebensqualität und Wohlbefinden bis zum Lebensende zu ermöglichen. Der Lehrgang Passage SRK befähigt Freiwillige und Pflegehelfende SRK, Menschen im letzten Lebensabschnitt zu unterstützen. Der Lehrgang ist je nach Kanton etwas anders ausgestaltet. Zurzeit wird Passage SRK in 13 Kantonen angeboten.

Informationen zum Lehrgang Passage SRK
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