Cox’s Bazar, Bangladesch: Kein Platz für Träume im Camp
Reportage
•Über eine Million Menschen haben seit Jahren keine andere Wahl, als im grössten Flüchtlingslager der Welt in Bangladesch auszuharren. Die aus Myanmar Geflüchteten sind komplett abhängig von humanitärer Hilfe. Ein Team des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) in Cox's Bazar unterstützt die Arbeit des Roten Halbmonds vor Ort.
Cox’s Bazar ist der südlichste Distrikt Bangladeschs. Dort befindet sich das grösste Flüchtlingslager der Welt. In 33 Camps leben dichtgedrängt über eine Million Menschen. Die meisten sind vor acht Jahren vor der Gewalt in Myanmar geflüchtet. Sie wurden damals solidarisch aufgenommen, nun sind sie bloss noch geduldet. Bis heute haben sie keinen Flüchtlingsstatus und Grundrechte bleiben ihnen verwehrt: Erwachsene dürfen nicht arbeiten und Kinder nicht zur Schule. Sie sind abhängig von humanitärer Hilfe und haben keine andere Wahl, als in den Camps zu bleiben. Im Herkunftsland ist ihr Leben immer noch bedroht.
Unterstützung für die Gesundheitszentren des Roten Halbmonds von Bangladesch
Dr. med. Tanzila Ahmed arbeitet als Gesundheitsexpertin des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) in Bangladesch. Die 35-Jährige unterstützt den Bangladeschischen Roten Halbmond (BRH), der den Menschen in drei Camps eine kostenlose Gesundheitsversorgung ermöglicht. Die Gesundheitszentren wurden vom BRH und dem SRK mit weiteren Partnern aufgebaut. Sie bieten Zugang zu Allgemeinmedizin, Psychotherapie, Augenmedizin und Gynäkologie. Dr. med. Tanzila Ahmed stellt sicher, dass die Gesundheitszentren die Qualitätsstandards einhalten. Sie überblickt den unendlichen Flickenteppich von Hütten und sagt nachdenklich: «Diese Menschen haben alles verloren und viel durchgemacht. Wir wollen ihnen wenigstens eine gute medizinische Versorgung bieten.»
Es schmerzt mich, dass die Kinder keine Schulbildung haben. Ihre Träume werden einfach enden.
Dr. med. Tanzila Ahmed, Gesundheitsexpertin des SRK in Bangladesch
Leben und Überleben im grössten Flüchtlingslager der Welt
Es ist 35 Grad heiss. Schatten gibt es nur in den Hütten. Eine Person muss auf weniger als drei Quadratmeter Wohnfläche leben. Jährlich werden in den Camps 35 000 Kinder geboren. Dr. med. Tanzila Ahmed erklärt die Folgen: «Krankheiten wie Krätze, Diphtherie und Dengue verbreiten sich schnell. Ein Brandausbruch ist nur schwer einzudämmen und Erdrutsche bedrohen Hütten, die an Hängen stehen.» Soziale Spannungen führen zu Gewalt und Kriminalität.
Mittelkürzungen schwächen auch die Gesundheitsversorgung. Besonders betroffen sind die Flüchtlingscamps von Cox’s Bazar: Nahrungsrationen wurden gekürzt, Kinder leiden häufiger an Mangelernährung. Das stellt uns als humanitäre Organisation vor enorme Herausforderungen.
Paul Drossou, Leiter der SRK-Delegation in Bangladesch
Abfall sammeln und sortieren im Flüchtlingslager Cox's Bazar
Seit sechs Jahren ist in einem Camp-Bereich der Bangladeschische Rote Halbmond für die Abfallbewirtschaftung zuständig. Die Menschen in den Camps schätzen die Abfallsammler für ihre Arbeit. Weil die Camp-Bewohnenden fast zwei Jahre lang keine andere Wahl hatten, als ihre Abfälle vor der Haustüre zu entsorgen, waren der Gestank und die Fliegen unerträglich. In der Regenzeit überflutete das Abwasser die Gassen, da die Rinnen ständig mit Abfall verstopft waren. Die fehlende Hygiene gefährdete die Gesundheit der Menschen schwer. Besonders die Kinder erkrankten.
Die Abfallsammler sind jeweils zu zweit unterwegs. Ein Container enthält jeweils den kompostierbaren Abfall, der andere den übrigen Müll. Wenn das Lastenvelo beladen ist, pedalt der Abfallsammler Faisal Nur zur Sortieranlage. Dort wiegen seine Arbeitskollegen den Abfall und sortieren ihn von Hand. Die Männer zerpflücken den kompostierbaren Abfall, da er oft Restmüll enthält. Ihre mühselige Arbeit lohnt sich, weil der biologische Abfall zu nährstoffreicher Erde kompostiert wird. Wertstoffe wie Plastik, Glas, und Metall kommen getrennt in ein Lager für den Verkauf.
Es ist unglaublich, wie die Menschen hier im Flüchtlingslager von Cox’s Bazar leben müssen. Ich wünsche mir für diese Menschen, dass sie eine Perspektive erhalten und nicht in Vergessenheit geraten.
Max Hubacher, Schauspieler und SRK-Botschafter