Header

Meta Navigation

Leichte Sprache

Main Navigation

Kinder sitzen im Wald auf einer Bank. Vor Ihnen steht ein Mann und erklärt ihnen mittels Plakat Covid und die Impfung.

Gesundheitsversorgung für Indigene in Ecuador

Reportage

Indigene Völker wie die Waorani leben tief im Amazonasgebiet von Ecuador. Sie sind nur auf dem Wasserweg erreichbar. Das SRK unterstützt sie in der Gesundheitsversorgung mit einem mobilen Team.

Text: Sandra Weiss; Fotos: Florian Kopp

Nur vier Stunden Schlaf hat Antonia Tenorio hinter sich. «Das muss reichen», lacht die 37-jährige Ecuadorianerin gut gelaunt. Es ist sieben Uhr früh. Die Ärztin steht mit ihrem Team vom Gesundheitsposten Tiwino an der Anlegestelle, oder das, was man im amazonischen Regenwald darunter versteht: Ein steiler, rutschiger Abhang, an dessen Ende ein schmaler Sandstreifen von schlammigem Wasser umspült wird. Hier muss nicht nur das zehnköpfige Team herunter, sondern auch das wasserdicht verpackte Gepäck: Vier 30 kg schwere Plastikkisten mit Medikamenten, Impfstoffen und Ausrüstung, zwei tragbare Zahnarztstühle, Laptops und ein Generator. Dazu wurden bis spät in die Nacht noch Essen, Zelte, Trinkwasser und Matratzen für die einwöchige Bootstour in den Dschungel vorbereitet.

Ein einfaches Floss aus Holz steht an einem Flussufer. Menschen steigen aus dem Floss aus und transportieren Materialien ans Land.

Gesundheitsversorgung für 14 Dörfer

Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) unterstützt die mobilen Gesundheitsteams. Ihr Ziel sind die indigenen Gemeinden entlang des Flusses Shiripuno. 14 Dörfer betreut das Team – zwei rund um Tiwino und zwölf im Regenwald entlang des Flusses. Manche sind eine zweitägige Bootsfahrt von Tiwino entfernt.

Ein gemeinsames Ziel

Damit sie eine Gesundheitsversorgung haben, braucht es mehrere Organisationen: Das medizinische Team wird vom Gesundheitsministerium bereitgestellt. Medikamente und Ausrüstung übernimmt RIOS, die Partnerorganisation des SRK. Die Boote und das Benzin werden vom staatlichen Menschenrechtsbüro bezahlt. «Anders wäre es wegen der hohen Kosten kaum möglich, diese Gemeinden zu betreuen», sagt Alex Arteaga, der Direktor der regionalen Gesundheitsbehörde. Wie nötig die Gesundheitsteams sind, zeigt sich schon beim ersten Stopp in Nenquipare. Dort warten ein Dutzend Menschen auf die Ärztinnen und Ärzte.

Manche humpeln oder haben offene Wunden, andere klagen über Bauch- und Gliederschmerzen. Viele Kinder leiden unter Karies. In Windeseile baut das Team unter dem Dach einer Palmhütte seine mobile Klinik auf. Antonia Tenorio übernimmt das Impfen und registriert die Patientinnen und Patienten auf ihrem Laptop. Zwei Krankenschwestern messen Grösse, Gewicht, Blutdruck und Sauerstoffsättigung. Die beiden Zahnärzte bauen ihre Feldliegen auf. Zwei weitere Ärzte legen ein Brett quer über alte Benzinkanister und halten dort Sprechstunde.

José Irumenga übersetzt die Erklärungen und Rezepte in die indigene Sprache waorani. Den wartenden Kindern erläutert er mit Hilfe von Transparenten die Grundregeln der Hygiene und klärt über das Coronavirus auf.

Indigenen Freiwilligen wie ihm ist es zu verdanken, dass am Shiripuno-Fluss praktisch alle Waorani inzwischen gegen Covid-19 geimpft wurden. «Wenn man es ihnen in ihrer Sprache und in ihren Worten erklärt, kann man Missverständnisse ausräumen», sagt Irumenga. Die Schulung der Promotorinnen und Promotoren wird vom SRK finanziert.

Von Antibiotika zu Corona-Impfungen

Bei der Weiterfahrt geht ein tropischer Platzregen nieder und zwingt die Bootsfahrer, das Tempo zu drosseln. Durchnässt und müde schafft es die Brigade gerade noch vor Sonnenuntergang bis zur Gemeinde Keveriuno. Im Licht von Taschenlampen und im Kampf gegen Moskitos schlagen die Ärztinnen und Ärzte in einem Gemeinschaftsraum ein Zeltlager auf. Sie kochen auf einem Campingkocher Reis mit Bohnen. Am nächsten Morgen beginnt die Sprechstunde früh.

Rubén Nenquimo, 61, und seine Frau Verónica Dayume sind unter den ersten. Die 54-Jährige klagt über Müdigkeit und Gliederschmerzen, ihr Mann hat ein paar offene, schlecht heilende Wunden an den Beinen. Verónica Dayume bekommt von Ärztin Piedad Villalba ein Antibiotikum gegen eine Mandelentzündung. Ihre Gliederschmerzen führt die Ärztin auf ein «schlecht auskuriertes rheumatisches Fieber» zurück und rät zu einem Termin in Tiwino. Rubén Nenquimo bekommt ebenfalls ein Antibiotikum, Desinfektionsmittel und eine Heilsalbe für seine Wunden. Enkelin Tironka, 11, wird derweil geimpft, erhält Vitamine und eine Zahnreinigung mit Fluor.

Bessere Gesundheit dank dem Gesundheitsteam

«Durchfall, Erbrechen, Schmerzen und Fieber können wir mit Naturheilmitteln gut behandeln», sagt Dayume, die im Dorf als traditionelle Geburtshelferin tätig ist. «Aber gegen manches gibt es keine Mittel», seufzt sie. Besonders gefürchtet sind Schlangenbisse oder Komplikationen bei der Geburt. Auch sie verlor ihren ältesten Sohn. Heute ist Kinder- und Müttersterblichkeit dank der frühen Diagnostik von Risikoschwangerschaften durch die Brigaden jedoch eine Seltenheit. «Auch unsere Zähne halten nun viel länger», lächelt ihr Mann. „Früher hätte ich in meinem Alter wohl gar keine mehr gehabt.» Besonders stolz sind die beiden auf Sohn Remigio, der nun einer der Gesundheitspromotoren der Gemeinde ist. «Lern etwas, mein Junge, habe ich ihm mit 15 gesagt, damit es uns Waorani einmal besser geht», erinnert sich Dayume und fügt zufrieden hinzu: «Er hat auf mich gehört.»

Diese Seite teilen