Ergotherapie: Zurück in den Alltag nach Long Covid
Interview
•Bei Long Covid kann Ergotherapie auf dem Weg zur Besserung helfen. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) betreibt in 12 Kantonen Zentren für Ergotherapie. Wertvolle Anregungen und das Verständnis von Ergotherapie-Fachpersonen helfen Betroffenen, den Weg in den Alltag zurückzufinden.
Interview mit Kathrin Bachmann
Kathrin Bachmann
Die Ergotherapeutin ist 28-jährig und arbeitet seit 2020 im Ergotherapiezentrum in Langnau des Schweizerischen Roten Kreuzes Kanton Bern.
Warum profitieren Long-Covid-Betroffene von Ergotherapie?
Ergotherapie hilft, den Alltag energieschonend zu bewältigen. Menschen mit Long Covid sind in ihrem Alltag stark eingeschränkt. Unsere Mission ist es, ihnen Selbstständigkeit wiederzugeben. Long Covid hat vielfältige Krankheitsbilder darunter das Chronische Fatigue-Syndrom. Für Betroffene bedeutet das eine körperliche und mentale Erschöpfung. Ausruhen und Schlafen reichen zur Erholung nicht aus. Betroffene vergleichen das Gefühl mit einem Handy-Akku, der ständig leer ist und sich kaum mehr aufladen lässt.
Wie gehen Sie vor, um Betroffene zu unterstützen?
Gemeinsam mit Betroffenen plane ich den Tagesablauf und helfe ihnen, diesen anzupassen: Pausen einschalten, Energiefresser delegieren, die eigenen Grenzen einhalten. Mit den Angehörigen besprechen wir, wie sie die Betroffenen besser verstehen und unterstützen können. Das ist wichtig. Eine Überbelastung verschlimmert die Symptome und führt zu einem sogenannten «Crash». Man weiss inzwischen, dass solche Crashs nachhaltig Schaden anrichten.
Unser Ziel ist deshalb, das Gleichgewicht zu finden zwischen Aktivität und Schonung. Diese Verhaltensänderung ist derzeit die nachhaltigste Massnahme bei Fatigue.
Kathrin Bachmann, Ergotherapeutin
Warum engagiert sich das SRK in der Behandlung von Long Covid?
Es gibt einen grossen Bedarf mit vielen schweren Fällen. Zudem tritt das Chronische Fatigue-Syndrom auch im Zusammenhang mit anderen Krankheitsbildern auf. Erfahrung damit gab es in der Ergotherapie schon vor Covid. Seit 2020 beschäftigen wir uns vertieft mit Long Covid und bilden uns weiter. Nun orientieren wir uns an den wenigen verfügbaren Richtlinien und Erfahrungen mit den Praxis-Standards.
Der Vorteil der Ergotherapie SRK ist, dass wir die Patientinnen und Patienten bei Bedarf zu Hause besuchen. Dem SRK ist wichtig, dass auch Menschen in Randregionen und mit eingeschränkter Mobilität Zugang zur Gesundheitsversorgung haben.
Was haben Sie von Long-Covid-Betroffenen gelernt?
Das Chronische Fatigue-Syndrom führt zu einem Teufelskreis: Die Betroffenen können weniger leisten, was ein Gefühl der Ohnmacht mit sich bringt. Diese emotionale Belastung verstärkt die Fatigue. Wir müssen umdenken.
Long Covid hält sich nicht an unser Alltagsverständnis.
Kathrin Bachmann, Ergotherapeutin
Betroffene müssen ihre Grenzen kennen, weil jede Überforderung schadet. Die Gesellschaft muss lernen, kleine Schritte anzunehmen.
Was raten Sie Betroffenen und ihrem Umfeld?
Kämpfen Sie nicht allein. Es gibt Selbsthilfegruppen und Netzwerke. Vermeiden Sie Crashs und nehmen Sie Hilfe an. Menschen im Umfeld rate ich, die Betroffenen ernst zu nehmen und konkret Hilfe anzubieten. Zum Beispiel einen Einkauf zu übernehmen oder ein Zmittag zu kochen.