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Ergotherapie hilft nach Schicksalsschlägen

Reportage

Dank Ergotherapie machen Menschen trotz einer Beeinträchtigung oft erstaunliche Fortschritte. Deshalb bietet der SRK Kantonalverband beider Appenzell eine mobile Ergotherapie an. So kann auch der 80-jährige Martin Riegg, der abgelegen auf dem Land wohnt, von der Unterstützung profitieren. Und in der Wohnung von Monika Ulmann findet die Ergotherapeutin Lösungen für selbstständiges Wohnen.

Am Waldrand grasen die Rehe. Eine schmale Strasse führt zum Holzhaus des Ehepaars Riegg im idyllischen Appenzellerland. Noch weiter oben befindet sich der Hof, den der Sohn übernommen hat. Jahrelang stieg Martin Riegg den Weg hinauf, um dem Sohn im Stall zur Hand zu gehen.

Doch im Februar 2014 wurde auf einen Schlag alles anders. Der nun 80-Jährige erlitt eine Hirnblutung. Seither ist er halbseitig gelähmt und auf die Hilfe seiner Frau angewiesen.

Jahrelang fuhr sie ihn zur Ergotherapie ins Dorf. «Mittlerweile habe ich die Kraft nicht mehr, mit meinem Mann in die Praxis hinunterzufahren», erzählt Rosmarie Riegg, die ihren Mann pflegt.

KURZ ERKLÄRT

Was ist Ergotherapie?

Ergotherapie stellt die Handlungsfähigkeit des Menschen in den Mittelpunkt. Sie befähigt Menschen, an den Aktivitäten des täglichen Lebens teilzuhaben. Ergotherapie ist auf ärztliche Verordnung zugänglich und durch die Grundversicherung abgedeckt.

Ergotherapie in der guten Stube

Die Ergotherapeutin Tabea Flotron, 33, des SRK-Kantonalverbands beider Appenzell fährt einmal die Woche zu Rieggs nach Hause. Die Begrüssung ist herzlich. Martin Riegg freut sich sichtlich über den Besuch.

Tabea Flotron massiert den gesunden, muskulösen Arm und erklärt: «Der ist überstrapaziert, weil er die gelähmte Seite ersetzen muss.» Den gelähmten Arm bewegt die Therapeutin sanft bis zur Schultermuskulatur. Mit einer aufblasbaren Manschette streckt sie die verkrampften Finger der gelähmten Hand.

Ein älterer Mann am Tisch in der Wohnstube eines Bauernhauses. Im Hintergrund grosse Kuhglocken. Eine junge Frau hüllt die gekrümmte Hand des älteren Mannes in ein Luftkissen, ums sie zu strecken. Sie lächeln einander an.
Ergotherapeutin Tabea Flotron bringt Martin Riegg Erleichterung. Foto: Bernard van Dierendonck

Motivierende Animation

Während der Arbeit stellt Tabea Flotron ihrem Klienten immer wieder Fragen, um ihn zum Erzählen zu animieren. «Sein Hirn funktioniert sehr gut, einfach etwas langsamer.» Sie hilft Martin Riegg langsam beim Aufstehen, korrigiert seine Haltung, zieht die Schultern nach hinten und hebt seinen Kopf, damit er durchs Fenster ins Tal sehen kann. Plötzlich sieht er jünger aus. Die Freude blitzt aus den Augen des stolzen Appenzeller Bauern.

GUT ZU WISSEN

Ergotherapie im Appenzell

Das Schweizerische Rote Kreuz beider Appenzell führt seit 1984 eine eigene Ergotherapie - Praxis. Der Hauptstandort befindet sich in Herisau. Das SRK beider Appenzell führt auch Ergotherapie zu Hause oder in verschiedenen Institutionen sowie den Spitälern in Appenzell und Herisau durch. 

«Wenn Tabea da war, dann ist mein Arm so leicht, als würde er davonfliegen.»

Martin Riegg, 80 Jahre

Monika Ulmann meistert den Alltag

Auch Monika Ulmann in Appenzell freut sich auf den Besuch von Tabea Flotron. Die 74-Jährige erlitt ebenfalls einen Schlaganfall und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Sie zog in ein Altersheim, wurde dort aber nicht glücklich.

Nun lebt sie wieder in ihren eigenen vier Wänden. «Ohne Tabea wäre das nicht möglich gewesen.» Dank Tabea Flotron konnte Monika Ulmann das grösste Hindernis für selbstständiges Wohnen beseitigen.

«Hier am Bett hat Tabea eine Stange befestigt», erklärt Monika Ulmann. Am Bettrand und auf dem Nachttischchen sind mit Klebstreifen Markierungen angebracht.

Unterstützung im Alltag

Eine ältere Frau im Rollstuhl, eine Jüngere sitzt ihr gegenüber auf einem Bett.. Beide sind im Profil zu sehen. Die jüngere Frau hält die Hände der älteren Frau. Dies um der älteren Frau u helfen, ins Bett zu gehen.

Monika Ulmann demonstriert das Vorgehen: «Ich fahre genau hierher. Dann bringe ich das Bett auf die gleiche Höhe wie das Nachttischchen.» Ulmann legt ein Päckchen Taschentücher als Wasserwaage zwischen Tisch und Bett. Sie fasst mit dem gesunden Arm kräftig die Haltestange: «So kann ich mich mit einem Schwung ins Bett hieven.» Sagt’s, und macht’s vor.

«Jetzt bloss nicht herunterfallen.»

Monika Ulmanns grösste Sorge.

Einmal ist sie tatsächlich zwischen Toilette und Rollstuhl gefallen und lange gelegen. «Wer eine solche Erfahrung gemacht hat, braucht viel Mut, wieder etwas zu wagen», sagt Tabea Flotron. Damit sich Monika Ulmann wieder sicherer fühlt, macht Tabea Flotron mit ihr Übungen.

Das Gleichgewicht wieder finden

Tabea Flotron hilft ihr, am Tisch aus dem Rollstuhl aufzustehen und Ringe über einen Kegel zu legen. Sorgsam und mit leichter Hand hilft ihr Tabea Flotron, das Gewicht nach links und rechts zu verlagern. «Es sieht einfach aus, ist es aber nicht», sagt Monika Ulmann, als sie wieder im Rollstuhl sitzt.

Sie muss sich nach der Anstrengung einen Moment sammeln. Ihren gelähmten Arm spürt sie kaum mehr. Sie ist froh, dass ihr Tabea Flotron hilft, den Arm zu mobilisieren und etwas anzuheben. «So kann ich den Pulli selbst anziehen.» Auch das ein wichtiges Kriterium für unabhängiges Wohnen.

Ergotherapie-Angebote gibt es in vielen Kantonen

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